Für Landespastor Heiko Naß sind die neuen Beratungsstellen eine grundlegende Voraussetzung, um eine weitergehende Teilhabe von Menschen mit Behinderung am sozialen und kulturellen Leben zu ermöglichen: „Das breite Spektrum von Teilhabeleistungen ist oft unübersichtlich, die Antragsverfahren sind sehr kompliziert. Gerade Menschen mit Beeinträchtigungen haben deshalb große Probleme, sich zurechtzufinden. Dazu hat nicht zuletzt auch das neue Bundesteilhabegesetz beigetragen. Umso wichtiger ist es, dass die Betroffenen Ansprechpartner haben, die Übersicht in ihre Angelegenheiten bringen und sie beraten. Die Beratungsstellen sind gute Lotsen, um zu einem guten Antragsverfahren zu kommen.“
Laut Bundesteilhabegesetz müssen bundesweit in allen Kreisen und kreisfreien Städten Beratungsstellen für die EUTB geschaffen werden. Sie haben die Aufgabe, Menschen mit Behinderung über die Bandbreite aller Teilhabeleistungen zu informieren. Dazu gehören beispielsweise Assistenzangebote für den Alltag, Reha-Maßnahmen und Hilfsmittel, Teilhabe am Arbeitsleben oder spezielle Wohnangebote. Darüber hinaus sollen die Ratsuchenden dabei unterstützt werden, den richtigen Leistungsträger, z.B. die Eingliederungshilfe und Rentenversicherungen, zu finden. Die Ergänzende unabhängige Teilhabeberatung erfolgt grundsätzlich durch Fachkräfte, wird aber durch so genannte Peer-Berater ergänzt. Das heißt, Betroffene werden von Betroffenen beraten. Diese kennen sich meist aus eigener Erfahrung im Hilfesystem aus und können sich daher sehr gut in die Lebenssituation und Anliegen der Ratsuchenden hineindenken. Damit sollen mögliche Hemmschwellen gesenkt werden.
„Das Besondere an den Teilhabe-Begleitern ist, sie sind Experten in eigener Sache“, sagt Heike Struss, „Sie haben eigene Erfahrungen mit dem Hilfesystem und kennen deshalb die Befürchtungen und Sorgen der Betroffenen. Sie können sich gut in Hilfesuchende hineinversetzen und „Auf Augenhöhe“ helfen.“ Heike Struss ist selbst Teilhabe-Begleiterin. Auf der Basis eines ausgelagerten Arbeitsplatzes einer Werkstatt hat sie an der Entwicklung und Durchführung der mehrtägigen Schulung vom Diakonischen Werk mitgewirkt. Daran nehmen die Teilhabe-Begleiter verbindlich teil, um sich in ihrer Rolle zu professionalisieren. Zudem haben alle während ihrer Tätigkeit die Möglichkeit, bei kniffligen Fragen eine Fachberatung aus dem Projektbüro hinzuzuziehen. Durch ihre Vernetzung entsteht ein landesweiter Austausch.
Das Diakonie-Projekt "Auf Augenhöhe" hat eine gute Vorarbeit für die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung EUTB geleistet. Denn ein wesentliches Merkmal der EUTB ist die Peerberatung, das heißt, die Beratung von Menschen mit Beeinträchtigungen für Menschen mit Beeinträchtigungen. Zurzeit richtet das Diakonische Werk Schleswig-Holstein in vier Kreisen und zwei kreisfreien Städten Beratungsstellen der EUTB ein und kann bei der Rekrutierung von Peer-Beratern nun auf die Erfahrungen aus dem Projekt zurückgreifen. Wie und wo findet man interessierte Menschen mit Behinderung? Was sollte eine Schulung beinhalten und wie wird sie durchgeführt? Wie kann man sich sinnvoll vernetzen? Welche unterschiedlichen Beschäftigungsmodelle kann es geben? All diese Fragen sind im Projekt Auf Augenhöhe bereits modellhaft beantwortet worden. Das Diakonische Werk möchte das bürgerschaftliche Engagement von Menschen mit Behinderung weiter stärken und setzt deshalb auch bei den EUTB auf die Peerberatung.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales fördert diese drei Jahre lang mit insgesamt rund 1,47 Millionen Euro. Das Diakonische Werk steuert 141.000 Euro bei. An den sechs Standorten wurden acht Stellen geschaffen.
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