Wohnungslosenhilfe: Konzepte für die Zukunft

Die Wohnungslosenhilfe in Schleswig-Holstein stellt sich den veränderten gesellschaftlichen Herausforderungen. Bei einem Fachtag in Lübeck haben rund 60 Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Diakonie und anderen Verbänden darüber diskutiert, wie von Wohnungslosigkeit betroffene oder bedrohte Menschen noch besser unterstützt werden können. Hintergrund sind stetig steigende Wohnungslosenzahlen, der angespannte Wohnungsmarkt sowie multiple Problemlagen bei den Ratsuchenden.

In den vergangenen Jahren sind die Angebote der Wohnungslosenhilfe zunehmend an ihre Grenzen gestoßen. Während die Zahl der Ratsuchenden zwischen 2014 und 2018 um 2.000 zunahm, blieb die Zahl der Mitarbeitenden in den Beratungsstellen und Notunterkünften nahezu gleichbleibend. Nach jahrelanger gedeckelter Förderung hat das Land in diesem Jahr die Mittel für die Wohnungslosenhilfe aufgestockt, so dass zusätzliche Beratungsstellen geschaffen werden konnten. Allerdings ist auch in diesem Bereich der Fachkräftemangel zu spüren.  

Hinzu kommt, dass die Beratung von Wohnungslosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten Menschen sehr komplex und langwierig ist. Zahlreiche Ratsuchende haben nicht nur ein, sondern mehrere Probleme. Sie sind teilweise überschuldet, psychisch belastet oder suchtkrank. Das stellt die Beraterinnen und Berater vor große Herausforderungen. Darüber hinaus ist es angesichts des angespannten Wohnungsmarktes sehr schwer, wohnungslose Menschen mit Wohnraum zu versorgen. Die Begleitung durch die Beratungsstellen ist entsprechend aufwendig.

Vor diesem Hintergrund soll die präventive Arbeit der Beratungsstellen gestärkt und mit Hilfe der zusätzlichen Landesmittel flächendeckend ausgebaut werden. Diakonievorstand und Landespastor Heiko Naß sagte: „Es muss vorrangig darum gehen, Wohnungsverlust zu verhindern. Gemeinsam mit den Kommunen, Jobcentern und der Wohnungswirtschaft müssen wir Wege ausloten, wie wir Menschen mit finanziellen, psychischen oder gesundheitlichen Problemen dabei unterstützen können, eine Kündigung oder Räumung zu vermeiden. Prävention ist günstiger und nachhaltiger, als wohnungslose Menschen auf dem angespannten Wohnungsmarkt wieder mit einer neuen Wohnung zu versorgen. Vor allem aber muss dringend mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Da sehen wir das Land und die Kommunen in der Pflicht, etwa wenn es darum geht, kostengünstige Flächen zur Verfügung zu stellen. Zudem sollten die Wohnraumförderung und die soziale Förderung stärker aufeinander abgestimmt werden.“

Prof. Dr. Eric Mührel von der Hochschule Koblenz hob hervor: „In Zeiten des Klimawandels, der Globalisierung und Digitalisierung besteht zunehmend die Gefahr, dass wohnungslose Menschen keine Aufmerksamkeit mehr erlangen. Soziale Arbeit in der Wohnungslosenhilfe kommt daher die Aufgabe zu, die betroffenen Menschen sichtbar zu halten und ihre Würde zu schützen. Zudem muss sie verhindern, dass die verschiedenen Gruppen betroffener Personen, zum Beispiel Obdachlose, geflüchtete Menschen und Bewohnerinnen in Frauenhäusern, gegeneinander ausgespielt und damit weiter entwürdigt werden.“

Bei dem Fachtag wurden darüber hinaus Fragen von Mitwirkung und Teilhabe im Bereich der Wohnungslosenhilfe diskutiert sowie alternative Wohnformen vorgestellt. Künftig sollen solche Fachtage jährlich veranstaltet werden. Ziel ist es, die Wohnungslosenhilfe in Schleswig-Holstein ständig weiterzuentwickeln, auch im Austausch mit Expertinnen und Experten aus anderen Bundesländern

Die Diakonie Schleswig-Holstein bietet von Wohnungslosigkeit betroffenen oder bedrohten Menschen fast flächendeckend Beratungen, Tagestreffs und Notunterkünfte an. 2018 nahmen 7.456 Rat- und Hilfesuchende diese Angebote in Anspruch.