Wohnungslosigkeit verharrt auf hohem Niveau - immer mehr Frauen betroffen

In Schleswig-Holstein waren auch 2018 wieder Tausende Menschen wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht. Das ergibt die aktuelle Statistik der diakonischen Wohnungslosenhilfe. Demnach trifft die dramatische Lage auf dem Wohnungsmarkt zunehmend auch Frauen. Die Diakonie Schleswig-Holstein setzt sich deshalb für einen besseren Schutz der Betroffenen ein und fordert größere Anstrengungen im sozialen Wohnungsbau, eine effiziente Mietpreisbremse sowie ein flächendeckendes Verbot, Wohnraum dauerhaft in Ferienwohnungen umzuwandeln.

Diakonie-Vorstand und Landespastor Heiko Naß zeigt sich besorgt über die hohe Zahl von Wohnungslosen: „Seit Jahren beobachten wir in Schleswig-Holstein, dass immer mehr Menschen ihre Miete nicht mehr bezahlen können oder keine Wohnung finden. Das ist ein Zustand, den wir als Gesellschaft nicht hinnehmen dürfen. Unsere Beratungsstellen und Notunterkünfte können diese Menschen zwar auffangen, die erste Not lindern und gemeinsam mit ihnen Perspektiven entwickeln. Gelöst werden kann das Problem aber nur mit deutlich mehr Anstrengungen im sozialen Wohnungsbau. Da sehen wir die Landesregierung und die Kommunen in der Pflicht.“

2018 haben 7.456 Wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen die Beratungsstellen, Tagestreffs und Notunterkünfte der Diakonie in Anspruch genommen. Die Zahl ist annähernd so hoch wie 2017. Der Vergleich mit 2014 zeigt, wie dramatisch sich die Situation in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Damals wurden 5.401 Fälle gezählt.

Brennpunkte sind Lübeck, Kiel, Flensburg und Neumünster. Aber auch der ländliche Bereich, wie zum Beispiel Nordfriesland, ist von Wohnungslosigkeit betroffen. Insgesamt dürfte die Dunkelziffer wesentlich höher liegen. Hinzu kommt, dass die Zahlen der Diakonie zwar einen sehr großen aber nicht den gesamten Bereich der Wohnungslosenhilfe in Schleswig-Holstein abbilden.

Besonders gravierend ist die stetig zunehmende Zahl von Frauen, die von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen sind. Sie lag 2018 bei 2.284, das ist knapp ein Drittel aller Fälle. Zum Vergleich: 2014 waren es 17 Prozent aller Fälle. Außerdem ist bei Frauen erfahrungsgemäß die versteckte Wohnungslosigkeit besonders hoch, so dass auch hier von einer größeren Dunkelziffer ausgegangen werden muss. “Hier müssen wir dringend gegensteuern, vor allem weil mittelbar auch Kinder betroffen sind“, sagt Diakonie-Vorstand Heiko Naß. „Wir fordern deshalb für Familien einen besseren Schutz vor Kündigungen sowie zusätzliche finanzielle Mittel, um die Betroffenen bei Mietschulden unterstützen zu können.“

Die Ursachen für Wohnungslosigkeit sind vielfältig. Hauptgrund ist neben Arbeitslosigkeit, Krankheit und Überschuldung der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Außerdem verstärkt sich vor allem in Urlaubsregionen der Trend, Wohnraum in Ferienquartiere umzuwandeln. „Wir beobachten das zum Beispiel in Nordfriesland“, sagt Volker Schümann, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Husum. „Investoren kaufen Wohnungen auf und vermieten sie über Internetportale an Urlauber. Wohnungssuchende haben dann das Nachsehen.“ Die Diakonie fordert Land und Kommunen auf, flächendeckend die Zweckentfremdung von Wohnraum einzudämmen. Ein gutes Beispiel hierfür ist Lübeck.

Die Enteignung großer Wohnungsgesellschaften lehnt die Diakonie hingegen ab. „Das schafft keine einzige zusätzliche Wohnung“, ist Diakonie-Vorstand Heiko Naß überzeugt. „Dennoch gilt: Eigentum ist dem Gemeinwohl verpflichtet. Weil einer der Hauptgründe für steigende Mieten die enorme Steigerung des Bodenwertes ist, sollte diese mit einer zusätzlichen Steuer belegt und mit einer Mietpreisbremse kombiniert werden. Zudem setzen wir uns dafür ein, dass Land und Kommunen eigene brachliegende Flächen kostengünstig für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen und mit einer Quote von mindestens 30 % für den sozialen Wohnungsbau verbinden. Flächen, die spekulativ brachliegen, sollten mit Negativzinsen belegt werden. Der Staat hat die Pflicht, durch eine wirksame Rechtsgestaltung für einen bezahlbaren Wohnraum zu sorgen.“ 

Mit Unverständnis hat die Diakonie zur Kenntnis genommen, dass in Schleswig-Holstein die Landesregierung die Mietpreisbremse auslaufen lassen will. „In den Städten und Gemeinden, in denen die Mietpreisbremse angewandt wurde, konnten wir beobachten, dass dieses Instrument wirkt“, so Doris Kratz-Hinrichsen vom Diakonischen Werk Schleswig-Holstein. „Statt sie abzuschaffen, sollte die Mietpreisbremse effizienter gestaltet und flächendeckend eingeführt werden.“

Die Diakonie bietet in Schleswig-Holstein wohnungslosen Menschen fast flächendeckend Beratungen, Tagestreffs und Notunterkünfte an. Sie ist damit der größte Anbieter in der Wohnungslosenhilfe. Ziel der Angebote ist es, Wohnungslose oder von Wohnungslosigkeit bedrohte Menschen zu stärken und gemeinsam mit ihnen Auswege aus ihrer Situation zu suchen. In Lübeck und Kiel werden zudem von der Diakonie Wohnungen gemietet, die dann an Menschen weitervermietet werden, die schon länger in einer Notunterkunft leben. Da die Beratungsangebote in den vergangenen Jahren zunehmend an ihre Grenzen stießen, hat der Landtag im vergangenem Dezember beschlossen, die Landeszuschüsse für die Wohnungslosenhilfe auf eine Million Euro aufzustocken. Damit können die Beratungsstellen personell aufgestockt sowie zusätzliche Projekte und Modelle angeschoben werden.