Im vergangenen Jahr haben 8.844 Menschen die Angebote der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Schleswig-Holstein in Anspruch genommen, gut 1.000 mehr als 2021. Das ist ein Plus von knapp 13 Prozent. Von diesem Anstieg besonders betroffen waren Frauen. Sie erreichten mit 3.029 Ratsuchenden eine neue Höchstmarke. Brennpunkte der Wohnungslosigkeit sind nach wie vor die kreisfreien Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster. Stark betroffen ist aber auch das Hamburger Umland.
Die Statistik der diakonischen Wohnungslosenhilfe berücksichtigt Menschen, die von Wohnungslosigkeit betroffen oder bedroht sind. Dabei dürfte die Dunkelziffer wesentlich höher liegen. Die diakonische Wohnungslosenhilfe ist zwar mit einem großen Angebot in fast allen Kreisen und kreisfreien Städten vertreten und kann daher mit ihren Zahlen gut einen Trend abbilden. Alle in Schleswig-Holstein von Wohnungslosigkeit betroffenen oder bedrohten Menschen werden durch die Statistik aber nicht erfasst.
„Unsere Befürchtungen vom vergangenen Jahr haben sich leider bestätigt“, sagt Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß. „Menschen mit prekären Beschäftigungs- und Einkommensverhältnissen fällt es angesichts der anhaltend hohen Kosten für Lebensmittel und Energie immer schwerer, über die Runden zu kommen und damit auch die Miete zu bezahlen. Darunter sind viele Frauen mit Kindern! Das besagen die Rückmeldungen aus unseren Beratungsstellen. Es besteht also dringender Handlungsbedarf: Diejenigen, die ihre Wohnung verloren haben, müssen menschenwürdig untergebracht werden. Da sehen wir die Kommunen, aber auch das Land in der Pflicht. Vor allem müssen wir aber verhindern, dass noch mehr Menschen ihren Wohnraum verlieren.“
Um alle Menschen, die ihre Wohnung verlieren, unterbringen zu können, fordert die Diakonie von den Kommunen, landesweit dringend ausreichend Notunterkünfte zur Verfügung zu stellen. Dabei sollten Mindeststandards eingehalten werden. Dazu gehören Einzelunterbringung, Kochmöglichkeiten, gute Anbindung an öffentliche Einrichtungen und den Nahverkehr und Barrierefreiheit. Nur so kann auf die Grundbedürfnisse vor allem von Frauen, Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen sowie Pflegebedürftigen eingegangen werden. Bislang befinden sich zahlreiche Notunterkünfte in einen beklagenswerten Zustand.
Außerdem muss dringend die Prävention in der Wohnungslosenhilfe gestärkt werden. In allen Kommunen sollte es Angebote geben, die Menschen bereits unterstützen, bevor sie ihre Wohnung verlieren und nicht erst danach. Hier gibt es zum Teil noch Nachholbedarf. Um Wohnungslosigkeit zu vermeiden, ist es aus Sicht des Wohlfahrtsverbandes vor allem aber wichtig, Menschen mit wenig Einkommen zu entlasten.
„Wer schon vor dem Anstieg der Inflation mit wenig Einkommen kaum klargekommen ist, gerät jetzt erst recht in große Schwierigkeiten“, betont Kathrin Kläschen, Referentin für Wohnungslosenhilfe bei der Diakonie Schleswig-Holstein. „Da helfen die beschlossenen Gas- und Strompreisdeckel auch nicht weiter. Was wir benötigen, ist eine deutliche Aufstockung des Bürgergeldsatzes um mindestens 100 Euro. Außerdem müssen die in zahlreichen Kommunen bzw. Kreisen viel zu niedrigen Mietobergrenzen für Wohngeldempfänger angepasst werden. Nur so können wir Menschen, die von Wohnungslosigkeit bedroht sind, in die Lage versetzen, ihren Wohnraum zu halten bzw. überhaupt eine Wohnung zu mieten.“
Mittel- und langfristig kann die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt aber nur durch den Bau neuer, bezahlbarer Wohnungen verbessert werden. Hier sieht die Diakonie Land und Kommunen weiter in der Pflicht.
Die Diakonie Schleswig-Holstein unterstützt über ihre Stiftung und in Zusammenarbeit mit diakonischen Trägern an mehreren Standorten Projekte, die Wohnraum für Menschen mit besonderem Bedarf schaffen. In Kiel wurden zum Beispiel gemeinsam mit der Hempels-Stiftung zwölf Wohneinheiten zur Verfügung gestellt. In Nortorf baute die Diakonie Altholstein 70 Wohnungen; in Schleswig ist gemeinsam mit der Kommune der Bau von Wohnungen für benachteiligte Menschen geplant. Andere Träger mieten Wohnungen an, um diese an Betroffene unterzuvermieten.