„Den Menschen ohne Wohnung stehen besonders schwierige Monate bevor und die steigenden Lebenshaltungskosten verschlimmern die Lage noch “, sagt Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko Naß. „Wir müssen deshalb diese Menschen dringend im Blick behalten! Insofern begrüßen wir, dass die Landesregierung ihren Beitrag zum Winternotprogramm mehr als verdoppelt hat. Letztlich müssen wir aber das Grundübel beseitigen. Wir benötigen mehr bezahlbaren Wohnraum und akut endlich ausreichend und angemessen ausgestattete Notunterkünfte, damit Wohnungslose menschenwürdig untergebracht werden können.“
Das Winternotprogramm richtet sich an wohnungslose Menschen, die „Platte machen“, also nur auf der Straße leben. Sie lehnen es meist ab, in den bestehenden Notunterkünften zu übernachten. Oft scheuen sie die schwierigen Lebensbedingungen in den Unterkünften, in denen es kaum Privatsphäre gibt.
Der Diakonie möchte dennoch möglichst viele Betroffene sicher unterbringen. So schafft sie in Zusammenarbeit mit den Kommunen wieder zusätzliche niedrigschwellige Angebote: In Kiel beispielsweise stellt die Stadt neben den bestehenden Notunterkünften vier zusätzliche beheizbare Container bereit, die die Diakonie betreut. In Husum hat die diakonische Wohnungslosenhilfe eine komplett eingerichtete Wohnung angemietet und eingerichtet. Auch in Norderstedt stehen Container bereit.
Zusätzlich erweitern zahlreiche Tagestreffs und Beratungsstellen ihre Öffnungszeiten. Wohnungslose können sich dort aufwärmen, duschen, Wäsche waschen, ins Internet gehen und erhalten dort auch heiße Getränke. Außerdem verteilen die Einrichtungen für den Notfall Schlafsäcke, warme Kleidung und festes Schuhwerk.
Die schwierige Situation von wohnungslosen Menschen im Winter macht erneut ein Problem deutlich, das eigentlich das ganze Jahr über besteht: In vielen Kommunen mangelt es an ausreichend und menschenwürdigen Notunterkünften für die ordnungsrechtliche Unterbringung. Die Gebäude sind oft in einem schlechten Zustand, die Menschen müssen zu mehrt in einem Raum auf Notbetten übernachten, Privatsphäre ist kaum möglich. Die sanitäre Ausstattung lässt vielerorts zu wünschen übrig, es fehlt an angemessen ausgestalteten Gemeinschaftsräumen und Kochmöglichkeiten. Auf die besonderen Bedürfnisse von Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderungen oder Erkrankungen sowie Pflegebedürftigen kann nur bedingt eingegangen werden.
Eine Stichtagserhebung des Statistischen Bundesamtes hat ergeben, dass am 31. Januar 2022 in Schleswig-Holstein 8.555 wohnungslose Menschen ordnungsrechtlich untergebracht waren, darunter 3.270 Frauen und 1.020 unter 25-jährige.
Vor diesem Hintergrund diskutierten beim Fachtag „Container? Sammelunterkünfte? Notschlafstellen? – Mindeststandards für die Unterbringung in Schleswig-Holstein“ die Teilnehmenden über den Bedarf an Notunterkünften im nördlichsten Bundesland und deren künftige Ausgestaltung. Aus Sicht der Diakonie muss es einheitliche, verbindliche Standards geben. Dazu gehören: Einzelunterbringung, Möglichkeiten zum Kochen und zur Selbstversorgung, gute Anbindung an öffentliche und soziale Einrichtungen sowie den Nahverkehr und Barrierefreiheit. Darüber hinaus ist eine fachliche Betreuung der Menschen dringend von Nöten. Hier sieht die Diakonie Land und Kommunen in der Pflicht, Standards einzuführen und umzusetzen sowie ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen.
„Das beste Mittel gegen Wohnungslosigkeit sind aber präventive Angebote“, sagt Kathrin Kläschen, Referentin für Wohnungslosenhilfe bei der Diakonie Schleswig-Holstein. „Wir müssen dafür sorgen, dass Mietverhältnisse erhalten bleiben oder Wohnungen niedrigschwellig vermietet werden können. Solange wir aber nicht jedem eine Wohnung geben können, müssen wir die Alternativen so ausbauen, dass sie menschenwürdig sind.“
In den vergangenen Jahren ist die Zahl der von Wohnungslosigkeit betroffenen oder bedrohten Menschen in Schleswig-Holstein stetig gestiegen. 2021 nahmen 7.833 Menschen die Angebote der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Anspruch. Das waren gut 2.400 mehr als noch 2014. Da die Diakonie zwar der größte Anbieter in der Wohnungslosenhilfe im nördlichsten Bundesland ist, aber nicht der einzige, muss von einer wesentlich höheren Zahl von wohnungslosen Menschen ausgegangen werden.