ÖPNV ohne Ticket: Diakonie fordert Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe

Fährt man ohne gültigen Fahrschein Bus oder Bahn, droht ein erhöhtes Fahrtentgelt von 60 Euro. Kann man diese Summe nicht aufbringen, muss man ins Gefängnis - Ersatzfreiheitsstrafe heißt das. Das Diakonische Werk Schleswig-Holstein kritisiert diese Praxis als unverhältnismäßig und fordert wie das Straßenmagazin Hempels die Abschaffung der Ersatzfreiheitsstrafe.

Dazu sagt Diakonie-Vorstand Heiko Naß: „Eine solche Inhaftierung betrifft fast ausschließlich arme Menschen, darunter viele Obdachlose, die sich Mobilität bzw. das Bußgeld nicht leisten können. Dieses Vorgehen ist ungerecht, weil Menschen mit kleinem Einkommen hier klar benachteiligt werden. Wer es sich leisten kann, zahlt die 60 Euro erhöhtes Fahrentgelt und muss nicht ins Gefängnis.“

Im derzeitigen Hartz-IV-Regelsatz sind pro Monat 40,27 Euro für den Bereich „Verkehr“ vorgesehen. Ein Tagesticket kostet in Kiel aber zum Beispiel bereits 7,20 Euro, pro Monat also mehr als 200 Euro.

 

Heiko Naß fordert die Landesregierung zum Handeln auf: „Die Nutzung des ÖPNV ohne gültigen Fahrausweis darf künftig nicht mehr als Straftat verfolgt werden. Eine Einstufung als Ordnungswidrigkeit reicht hier völlig aus. Die Landesregierung sollte sich hier für eine Gesetzesänderung einzusetzen. Darüber hinaus ist es dringend notwendig, ein bezahlbares Sozialticket für den ÖPNV in Schleswig-Holstein einzuführen. Dieses muss für Menschen bzw. Familien bis zu einer definierten Einkommensgrenze unbürokratisch realisierbar sein.“

Laut Straßenmagazin „Hempels“ müssen in Deutschland jedes Jahr etwa 50.000 Menschen in Ersatzfreiheitsstrafe. In einer aktuellen Pressemitteilung stellt das Straßenmagazin das Modell der Stadt Bremen als mögliches Vorbild für Schleswig-Holstein vor: Wer dort schon einmal wegen Beförderungserschleichung ins Gefängnis musste, erhält Monatskarten für den ÖPNV. Kein Betroffener kam anschließend neu in Haft, so Hempels.