Zahlreiche Menschen in Schleswig-Holstein erhalten nach ihrem Tod keinen Grabstein, weil sie kein Geld für eine Grabstelle hinterlassen oder keine Angehörige haben, die sich darum kümmern. Oft handelt es sich dabei um wohnungslose, einsame oder geflüchtete Menschen. Sie werden auf Kosten der Kommunen auf anonymen Grabfeldern oder auf See bestattet. Es gibt bislang kaum Orte, an denen ihre Namen in Erinnerung gehalten werden. Weggefährten, Familienangehörige oder Freunde haben keinen Ort des Gedenkens.
„Es geschieht immer wieder, dass wohnungslose oder geflüchtete Menschen, denen wir regelmäßig in Innenstädten, vor Geschäften oder in Unterführungen begegnen, von einem Tag auf den anderen verschwinden“, sagt Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß. „Oft sind wir an ihnen vorbeigegangen, kannten ihre Gesichter und haben ihnen etwas Geld gespendet. Dann sind sie auf einmal nicht mehr da und die Erinnerung an sie verblasst. Das wollen wir ändern! Kein Mensch sollte einfach in Vergessenheit geraten, nur weil er oder sie sich keine Grabstelle leisten konnte. Mit dem Gedenkstein in Husum werden jetzt einige ihrer Namen in Erinnerung gehalten.“
„Der neu gestaltete Gedenkort erinnert an Menschen aus Husum und Umgebung, die ohne eigene Zustimmung anonym beigesetzt worden sind“, so Volker Schümann, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Husum. „Für sie wird jeweils eine Namensplakette auf der Stele angebracht. Und: Die Kirchengemeinde lädt regelmäßig zu Gedenkfeiern ein, in denen Weggefährten von den Verstorbenen Abschied nehmen können.“ Die Kirchengemeinde Husum ist Trägerin des Gedenkortes, in enger Kooperation mit dem Diakonischen Werk Husum.
Friedemann Magaard, Gemeindepastor in Husum: „Uns hatte der Tod von Willy Wallner tief getroffen. Als der stadtbekannte Verkäufer des Straßenmagazins HEMPELS verstarb, wurde er auf Veranlassung des örtlichen Ordnungsamtes anonym auf See beigesetzt. Die Kollegen und Freunde von der Bahnhofsmission und aus der Community der Wohnungslosen hatten keinen Ort für die Trauer. Für Diakonie und Kirchengemeinde in Husum wurde offenkundig, wie dringlich ein Gedenkort ist. Deshalb haben wir nach der Pandemie mit der Stadt Husum, mit Bestattern, der Diakonie Stiftung und der Lotterie Glücksspirale ein Unterstützungsnetzwerk geknüpft, mit dem Ergebnis, dass nun der Gedenkstein an Menschen wie Willy Wallner erinnern wird. Wir werden für sie beten und ihr Andenken ehren. So verdient es jeder Mensch, unabhängig von Einkommen und Herkunft.“
Der Ort der Erinnerung wurde von Steinmetz Michael Leißner aus Wilster gestaltet. Als er von der Idee eines Gedenksteins für anonym beigesetzte Menschen erfuhr, war er davon nach eigner Aussage sofort sehr angetan. Aus alten Grabsteinen von aufgelösten Grabstätten schuf er in den vergangenen Monaten einen neuen Gedenkstein, der einem Mosaik gleicht. Dieser wurde nun an einer gut sichtbaren Stelle auf dem Husumer Ostfriedhof gesetzt und von Landespastor Heiko Naß und Gemeindepastor Friedemann Magaard bei einer Zeremonie eingeweiht. Erste Namen von verstorbenen wohnungslosen Menschen sind darauf schon zu lesen, weitere werden folgen.
Das Projekt wird von der Lotterie Glücksspirale und der Diakonie Stiftung Schleswig-Holstein mit insgesamt 50.000 Euro gefördert. Die Summe beinhaltet neben der Planung und den Steinmetzarbeiten die Pflege des Gedenksteins in den kommenden zehn Jahren sowie das Anbringen weiterer Namenszüge. Darüber hinaus plant die Diakonie, künftig auch an anderen Orten solche Gedenksteine aufzustellen.
In Schleswig-Holstein sind Tausende Menschen von Wohnungslosigkeit bedroht oder betroffen, Hunderte leben auf der Straße. Im vergangenen Jahr nahmen 8.844 Menschen allein die Angebote der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Anspruch, in Husum waren es 225.