Im Jahr 2017 haben in Schleswig-Holstein 28.303 Menschen eine Schuldnerberatung aufgesucht. Das ergibt der jährlich herausgegebene Schuldenreport der Koordinierungsstelle Schuldnerberatung mit Sitz in Rendsburg. Fast ein Viertel (22,5 Prozent) der Betroffenen hatte Mietschulden. „Die immer höheren Mieten und Energiekosten werden für Geringverdiener zur Kostenfalle“, sagt die Leiterin der Koordinierungsstelle Alis Rohlf. „Die Menschen, die in unsere Beratungsstellen kommen, geben durchschnittlich 46 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Wohnkosten einschließlich Energie- und Nebenkosten aus. Das ist viel zu hoch und eine wesentliche Ursache für Überschuldung. Gleichzeitig haben Menschen, die überschuldet sind, kaum Chancen auf dem Wohnungsmarkt.“
Davon besonders betroffen sind Geringverdienende in den Ballungszentren Kiel, Lübeck, Flensburg und dem Hamburger Umland aber auch auf Sylt. Dort fehlt es an bezahlbarem Wohnraum, auch weil in den vergangenen Jahren immer mehr Sozialwohnungen aus der Bindung gefallen sind. „Land und Kommunen müssen deshalb dringend den Bau von Sozialwohnungen vorantreiben und dafür geeignete Flächen zur Verfügung stellen“, so Alis Rohlf.
Ein weiterer Grund für die schlechten Chancen von überschuldeten Menschen auf dem Wohnungsmarkt sind die Schufa-Auskünfte, die Vermieter häufig einfordern. Auch wenn diese Auskünfte nur Schulden auf Telefonie oder Warenbestellungen ausweisen, verweigern Vermieter immer wieder den Abschluss eines Mietvertrages. „Es darf keine Stigmatisierung auf Grund der Schufa-Auskunft geben“, fordert Alis Rohlf.
Darüber hinaus sieht die Koordinierungsstelle Schuldnerberatung die Sozialleistungsträger in der Pflicht: So müssten die Grenzen für die anerkennungsfähigen Kosten der Unterkunft wie Miet- und Heizkosten realistisch sein und den Wohnungsmarkt auch abbilden. Die Übernahme von Mietschulden sollte so unbürokratisch wie irgend möglich organisiert werden. Außerdem könnte es im Einzelfall sinnvoll sein, wenn die Jobcenter auf Wunsch des Mieters die Mieten direkt an die Vermieter zahlen würden.
Bei Mietschulden finden Betroffene Rat und Hilfe in den Schuldnerberatungsstellen. In vielen Fällen kann gemeinsam mit den Beraterinnen und Beratern ein Ausweg aus der verfahrenen Situation gefunden werden. Dabei geht die Arbeit der Beratungsstellen über eine reine Schuldenregulierung hinaus. „Überschuldung ist mehr als nur ein materielles Problem. Die Bedrohung der existentiellen Grundlage führt in vielen Fällen in die soziale Isolation und belastet erheblich die physische und psychische Gesundheit“, sagt Alis Rohlf. „Die Beratungsstellen unterstützen die hilfesuchenden Menschen, ihre Lebensverhältnisse zu stabilisieren.“
Vor diesem Hintergrund möchten die Schuldnerberatungsstellen während der Aktionswoche mit niedrigschwelligen Angeboten über ihre Arbeit und die Erfolgsaussichten einer Beratung informieren. Dazu sind zum Beispiel in Uetersen, Elmshorn, Pinneberg und Halstenbek Präventionsveranstaltungen geplant. Bei einem interaktiven Gesprächsforum auf dem Hochschulcampus in Flensburg diskutieren Vertreter von Diakonie, der Stadt Flensburg, Haus & Grund und dem Mieterverein sowie Staatssekretärin Kristina Herbst über das Thema Wohnen. Außerdem bieten zahlreiche Beratungsstellen Feierabendsprechstunden an oder schalten Beratungs-Hotlines. (Das genaue Programm entnehmen Sie bitte der beigefügten Übersicht.)
In Schleswig-Holstein gibt es insgesamt 36 anerkannte und öffentlich geförderte Schuldnerberatungsstellen. Sie werden je nach Aufgabenbereich vom Land oder den Kommunen finanziert und erhalten darüber hinaus Unterstützung vom Sparkassen- und Giroverband. Die Koordinierungsstelle mit Sitz in Rendsburg begleitet den landesweiten, trägerübergreifenden Qualitätsprozess, fördert die Schuldenprävention und ist für die Fortbildung verantwortlich.