Verlust von eigenen vier Wänden macht krank – Diakonie fordert engagierte Wohnungspolitik

Ein Großteil wohnungsloser Menschen in Schleswig-Holstein leidet unter psychischen Erkrankungen. Auslöser ist in vielen Fällen der Verlust der eigenen Wohnung. Um den Betroffenen nachhaltig helfen zu können, setzt sich die Diakonie Schleswig-Holstein für eine vernetzte Beratung der Betroffenen ein. „Vor allem aber müssen wir verhindern, dass Menschen überhaupt auf der Straße landen“, sagt Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko Naß aus Anlass des Tages der Wohnungslosen am 11. September. „Dafür benötigen wir endlich mehr bezahlbaren Wohnraum.“

Neun von zehn Menschen ohne Obdach erleiden im Laufe ihres Lebens eine psychische Erkrankung. Dieses Ergebnis einer Studie der TU München bestätigen die Beratungsstellen, Tagestreffs und Notunterkünfte der diakonischen Wohnungslosenhilfe. Die Betroffenen leiden demnach oft nicht nur an einer, sondern gleich mehreren seelischen Störungen. Suchterkrankungen sind das häufigste Problem, aber auch Depressionen, Angststörungen und psychotische Erkrankungen sind verbreitet und um ein Vielfaches häufiger als bei Menschen mit einer festen Unterkunft. Dabei hat die Pandemie die Situation der Wohnungslosen sogar noch einmal verschärft.

Die Erkrankungen vieler Wohnungsloser stellt die diakonische Wohnungslosenhilfe vor große Herausforderungen. Neben dem eigentlichen Thema, dem drohenden oder bereits erfolgten Wohnungsverlust, nehmen die psychischen Probleme der Betroffenen in den Beratungen immer mehr Raum ein. Gleichzeitig ist in den vergangenen Jahren die Zahl Ratsuchenden kontinuierlich gestiegen, während die Zahl der Mitarbeitenden in der Wohnungslosenhilfe nahezu konstant blieb.

Um eine Überforderung der Beratungsstellen zu vermeiden, setzt sich die Diakonie für eine bessere Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Psychiatrie und Suchthilfe ein. „Nur so kann es gelingen, den Betroffenen nachhaltig zu helfen“, sagt Kathrin Kläschen, Referentin für Wohnungslosenhilfe beim Diakonischen Werk Schleswig-Holstein. „Ansonsten geraten diese Menschen in einen nie endenden Teufelskreis aus Wohnungslosigkeit und psychischer Erkrankung, den sie aus eigenen Kräften nicht verlassen können.“

Neben der Akuthilfe für von Wohnungslosigkeit betroffene Menschen müssen aus Sicht der Diakonie Bund, Land und Kommunen noch stärker als bislang die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum vorantreiben. „Neben dem Bau von Sozialwohnungen setzen wir uns dafür ein, dass die Wohngemeinnützigkeit wieder eingeführt wird“, so Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko Naß. „Wohngemeinnützige Unternehmen wären partiell von der Steuer befreit und müssten ihre Gewinne überwiegend in den Bestand beziehungsweise Neubau reinvestieren. Diese Umstände würden sich dämpfend auf die Mietpreise auswirken.“ 

2020 haben 7.343 von Wohnungslosigkeit bedrohte oder betroffene Menschen die Angebote der diakonischen Wohnungslosenhilfe in Anspruch genommen. Brennpunkte sind nach wie vor die kreisfreien Städte Kiel, Lübeck, Flensburg und Neumünster. Dabei dürfte die Dunkelziffer wesentlich höher liegen. Die diakonische Wohnungslosenhilfe ist zwar flächendeckend vertreten und kann daher mit ihren Zahlen gut einen Trend abbilden. Alle von Wohnungslosigkeit betroffenen oder bedrohten Menschen werden durch die Statistik aber nicht erfasst.