„In der Pflege stehen wir vor großen Herausforderungen“, sagt Landespastor und Diakonievorstand Heiko Naß. “Die Lage ist schon jetzt in zahlreichen Einrichtungen sehr schwierig. Die Ursachen: immer wieder Personalmangel und eine unzureichende Finanzierung. Wenn in Schleswig-Holstein und in ganz Deutschland Pflegebedürftige auch künftig menschenwürdig begleitet und versorgt werden sollen, müssen wir jetzt handeln. Die Zeit der Notlösungen ist vorbei. Die großen Herausforderungen in der Pflege können nur mit einer umfassenden Reform bewältigt werden.“
Laut Statistischem Bundesamt wird allein in Schleswig-Holstein die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2035 im Vergleich zu 2021 um knapp 18 Prozent auf 187.000 ansteigen. Gleichzeitig rechnet eine Studie der Bertelsmann-Stiftung damit, dass bis 2030 im nördlichsten Bundesland 15.000 Vollzeit-Pflegekräfte fehlen. Bereits heute kann ein Teil der stationären Pflegeeinrichtungen beim Personalbestand die gesetzlich vorgeschriebene Untergrenze nicht mehr einhalten. Deshalb sehen sich Träger gezwungen, Angebote einzuschränken. Nicht besser ist die Situation in der ambulanten Pflege, besonders im ländlichen Raum. Pflegebedürftige in entlegenen Gebieten können auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht immer angefahren werden; die Versorgung von Neukunden ist eine Riesenherausforderung. Hinzu kommen die stetig steigenden Kosten, die die Pflegebedürftigen mit immer höheren Eigenbeteiligungen tragen müssen.
Vor diesem Hintergrund fordert die Diakonie von den zur Wahl stehenden demokratischen Parteien, die Pflegeversicherung, die bisher wie eine Teilkasko-Versicherung funktioniert, in eine Pflegevollversicherung umzuwandeln. Diese würde die Kosten aller pflegebedingten Aufgaben übernehmen. Die pflegebedürftigen Menschen müssten dann nur eine vom Gesetzgeber fixierte Eigenbeteiligung übernehmen. Außerdem sollte die Pflegeversicherung von versicherungsfremden Leistungen entlastet werden. Dazu gehörten Aufwendungen in Milliardenhöhe aus der Zeit der Corona-Pandemie.
Um den Fachkräftemangel zu begegnen, müssen aus Sicht des Wohlfahrtsverbandes vor allem die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Neben einer guten Bezahlung und verlässlichen Dienstplänen sei die Entbürokratisierung ein wesentlicher Schlüssel dazu. Studien zeigten, dass etwa 25 Prozent der Pflegekräfte mehr als die Hälfte ihrer Arbeitszeit mit der Dokumentation und bürokratischen Vorgaben verbringen. Wer Bürokratie abbaue, verschaffe den Pflegekräften mehr Zeit für ihre eigentliche Tätigkeit. Hier könne auch die Digitalisierung helfen.
Die Diakonie nimmt aber auch die Situation der pflegenden Angehörigen in den Blick. Sie übernehmen einen Großteil der Pflege in Deutschland. Ihr hoher Einsatz könne nicht genug gewürdigt werden, habe aber oft persönliche Konsequenzen etwa für das Einkommen oder die Altersabsicherung. Wer die Hauptverantwortung für die Pflege eines nahen Menschen übernimmt, muss nach Überzeugung der Diakonie für seinen Einsatz anteilig entlohnt und bei der Rentenversicherung angemessen berücksichtigt werden. Außerdem setzt sich der Wohlfahrtsverband dafür ein, dass pflegende Angehörige flächendeckend Beratung, Pflegekurse und individuelle Anleitungen erhalten.
Bis zur Bundestagswahl wird die Diakonie Schleswig-Holstein regelmäßig Positionen zu sozialpolitischen Themen veröffentlichen, u.a. zur Inklusion auf dem Arbeitsmarkt, zur Kinderarmut und zur Integration von Geflüchteten.
Die Diakonie ist einer der großen Wohlfahrtsverbände in Schleswig-Holstein mit rund 1.700 Einrichtungen und Angeboten sowie 48.000 Beschäftigten. Im Zentrum unserer Arbeit stehen Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen in Not, Pflegebedürftige, Kranke, Menschen mit Behinderungen sowie Flüchtlinge und Migranten.