Die Mitarbeitenden der Schuldnerberatungsstellen haben deshalb heute vor dem Landeshaus in Kiel für eine auskömmliche Finanzierung ihrer Arbeit demonstriert. Dabei wurden sie von mehreren Wohlfahrtsverbänden sowie der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein unterstützt.
Heiko Naß, Landespastor und Diakonievorstand: „Immer mehr Menschen in Schleswig-Holstein sind überschuldet und auf Schuldnerberatung angewiesen. Viele von ihnen sind krank, arbeitslos oder verdienen in ihrem Job so wenig, dass ihr Geld am Monatsende nicht mehr ausreicht. Die hohe Zahl der Ratsuchenden ist ein wichtiger Indikator für Armut in unserem Land. Schuldnerberaterinnen und -berater helfen den Betroffenen, dass ihr Alltag besser gelingt und sie wieder am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Damit verhindern sie ein weiteres Auseinanderdriften unserer Gesellschaft. Leider reichen die bestehenden Angebote nicht mehr aus, um die gestiegene Nachfrage zu befriedigen. Die Schuldnerberatung finanziell nicht auskömmlich auszustatten, ist daher kurzsichtig und wird hohe Folgekosten nach sich ziehen.“
Seit Jahren verharrt in Schleswig-Holstein die Zahl der Ratsuchenden in den Schuldnerberatungsstellen auf hohem Niveau. Gleichzeitig melden die Einrichtungen, dass die Fälle immer komplexer geworden sind und der durchschnittliche Beratungsaufwand pro Person gestiegen ist. Darüber hinaus stehen die Träger der Beratungsstellen finanziell massiv unter Druck. Tarifliche Lohnsteigerungen und inflationsbedingt hohe Miet- und Energiekosten belasten die Budgets. Weder das Land Schleswig-Holstein noch viele Kommunen haben diese Kostensteigerungen ausgeglichen.
Erste Träger mussten deshalb schon Stellenanteile in der Schuldnerberatung streichen, weitere Abstriche bei den Angeboten sind geplant. Mitarbeitende berichten, sie könnten teilweise nur noch akute Fälle bearbeiten und die notwendige langfristige Begleitung sei nicht mehr in allen Fällen möglich. Verstärkt wird dieser Trend durch hohe Krankenstände und den Fachkräftemangel. Klientinnen und Klienten bekommen immer schwerer Termine.
Diese Entwicklungen haben sich bereits auf die Zahl der beratenen Personen in Schleswig-Holstein ausgewirkt. Während die Schuldnerberatungsstellen 2019 noch gut 28.000 Menschen langfristig beraten konnten, ging die Zahl trotz gestiegener Nachfrage in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurück. 2023 waren es laut Statistischem Bundesamt nur noch 26.908. Es ist zu befürchten, dass sich dieser Trend verschärft und immer mehr Beratungsstellen eine angemessene Begleitung der Betroffenen nicht mehr sicherstellen können.
Aus Sicht der Schuldnerberatungsstellen, Wohlfahrtsverbände und Verbraucherzentrale sind die funktionierenden Strukturen der Schuldnerberatung mittelfristig in ihrem Bestand gefährdet, mit gravierenden Folgen für die von Überschuldung betroffenen Menschen. Dabei müssten die Beratungsangebote eigentlich stark ausgebaut werden. Hintergrund ist die neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie, deren Umsetzung in nationales Recht im kommenden Jahr ansteht. Demnach haben ab November 2025 alle das Recht auf kostenfreie Schuldnerberatung.
Schuldnerberatungsstellen, Wohlfahrtsverbände und Verbraucherzentrale fordern deswegen Land und Kommunen auf, die Schuldnerberatungsstellen auskömmlich und nachhaltig zu finanzieren. Die Qualität der Beratung, die den Ratsuchenden durch landesweit einheitliche Standards garantiert werde, müsse unbedingt erhalten werden. Diesen Forderungen wollen die Beteiligten bei der Demonstration am 17. Oktober 2024 vor dem Landeshaus in Kiel Nachdruck verleihen. Die Demonstrantinnen und Demonstranten werden den Landtagsabgeordneten ein Positionspapier überreichen, später auch Vertretern der Kommunalen Landesverbände.
Unterstützerinnen und Unterstützer:
- 32 anerkannte und öffentlich geförderte Schuldnerberatungsstellen in Schleswig-Holstein
- Arbeiterwohlfahrt Schleswig-Holstein
- Caritas Schleswig-Holstein
- Deutsches Rotes Kreuz Schleswig-Holstein
- Diakonie Schleswig-Holstein
- PARITÄTISCHER Schleswig-Holstein
- Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein