Anpacken vor Ort - Mitarbeitende des St. Nicolaiheims helfen im Flutgebiet

19 Mitarbeitende der diakonischen Einrichtung in Sundsacker haben haben am Wochenende Betroffene der Flutkatastrophe bei den Aufräumarbeiten unterstützt. Sie waren am Freitag mit mehreren Fahrzeugen nach Bad Münstereifel aufgebrochen. Mit dabei jede Menge Werkzeug im Wert von 3.000 Euro, das an den Tagen davor spontan gespendet worden war. Landespastor und Diakonie-Vorstand Heiko würdigte die Aktion: "Das ist ein beiendruckendes Zeichen des Zusammenhalts und der Solidarität in unserem Land. Die Diakonie im Norden steht den Betroffenen der Flutkatastrophe in Gedanken sowie mit Spenden und tatkräftiger Hilfe zur Seite."

 

Mit dabei war Najomi Eberhardt. Sie hat zur Hilfsaktion ein Tagebuch geschrieben:

Freitag, 23.7.2021

Wir sind nun mit 19 Leuten unterwegs nach Bad Münstereifel!

In unserer Truppe ist von Abteilungsleitung bis zum Beschäftigten nahezu jeder Teil unseres Unternehmens repräsentiert und auch unsere langjährige Vereinspsychologin ist mit dabei, um vor Ort psychologisch zu unterstützen. Gestartet sind wir mit zwei Bussen, zwei vollgepackten Craftern, einem Wohnwagen, zwei ausgebauten Privatbussen mit Schlafgelegenheiten, einem SUV, einem 2-Tonnen-Anhänger voller Sachspenden und Aggregaten samt einem Anhänger voller Verpflegung.

Voraussichtlich werden wir gegen Mitternacht auf dem Parkplatz „Am Biergarten im Mühlenpark“ ankommen, wo wir von unserer Ansprechpartnerin der Initiative „wirhelfendereifel“ in Empfang genommen werden. Wir haben bereits einen ersten Hilferuf weiter geleitet bekommen, ein Bustrupp wird gleich morgen früh dorthin aufbrechen. Here we go, wir schauen gespannt und ein wenig angespannt, aber auch voller Energie, Tatendrang und Motivation auf das, was uns erwartet.

Sonnabend, 24.7.2021

Es passiert unglaublich viel hier und nichts ist planbar, aber ich versuche eine kurze Zusammenfassung: Wir sind seit 02.30 Uhr mit unserem Konvoi vor Ort, ab 06.00 Uhr sortierte ein erster Trupp die Spenden und bepackte nach einem festen System die Busse. Gegen 07.00 Uhr kam unsere Ansprechpartnerin und es folgte innerhalb von Minuten die Einteilung:

Ein 5-er Team brach auf Richtung Schleiden, um dort beim Freiräumen der verschlammten Keller zu unterstützen, ein Trupp bestehend aus fünf Handwerkern machten sich mit Kettensägen und einem Anpacker-Team, bestehend aus weiteren sechs Leuten und viel, viel Ausrüstung und Gerätschaften auf nach Odendorf. Andere fuhren Sachspenden in den angrenzenden Ort Gemünd und standen bei Shuttlebedarf auf Abruf bereit, um Helfer in hilfebedürftige Teile der Stadt zu befördern. Es folgte ein Hilferuf aus Gemünd, wo der Bedarf dann so groß war, dass sich innerhalb kürzester Zeit das gesamte St. Nicolaiheim-Team dort einfand, um zu unterstützen. Was für eine Zerstörung, hier ist die brachiale Naturgewalt an jeder Ecke erschreckend offensichtlich.

Es parkten im Laufe des Tages LKW um LKW an unserem Basislager und rissen uns die Spenden förmlich aus den Händen. Tief erschöpfte Männer, die sich hastig einen Becher Kaffee hinein kippten, während sie zeitgleich die LKW mit unseren Spenden beluden, ehe sie mit einem kurzen, aber herzlichen Dank weiter bretterten. Durch die drohende Seuchengefahr wächst der Druck bei den Anwohnern mit jedem Tag und wirklich jeder ist hier auf den Füßen. Morgen früh werden wir direkt in den Straßentrakt fahren, in dem die massive Zerstörung so viele Existenzen so rabiat vernichtet hat und so umfassend ist, dass wir als gesammeltes Team anrücken möchten, um uns gemeinsam mit den Anwohnern diesem Chaos entgegen zu stellen.

Wir sind erschöpft, müde, verdreckt, aber stolz auf das Geleistete und bereit für einen weiteren Tag morgen.

Sonntag, 26.7.2021

Wir sind nach einem weiteren unglaublich ereignisreichen Tag wieder auf dem Heimweg. Drei Tage miteinander unter teilweise sehr herausfordernden Bedingungen haben aus einem Haufen Mitarbeitern und Beschäftigten eine eingeschworene Truppe gemacht.

Heute früh am Ort des Geschehens angekommen, begrüßte uns eine Soldatin: „Ach, ihr seid die aus dem Norden!“. In einer kleinen, leicht zu übersehenden Seitenstraße am Ende von Gemünd sei einem älteren, alleinstehenden Mann das gesamte Erdgeschoss weg gespült worden, er hause seit Tagen von der Situation völlig überfordert im Obergeschoss seines Hauses, habe keine Nahrungsmittel und kein Trinkwasser. Schnell fanden wir den Mann, der hager und verloren in seinem verschlammten Hauseingang stand und stumm auf das Geschehen um sich herum blickte. Zersplitterte Reste seiner Haustür hingen noch in den Angeln. In einer unbeschreiblich bescheidenen Art winkte er ab: „Gehen Sie zu den jungen Familien! Die brauchen das viel mehr als ich!“, und erst als wir ihm die vielen Helfer der Bundeswehr und des THW weiter flussabwärts beschrieben, berichtete er stockend von seinem umfassenden Hilfebedarf.

Innerhalb kürzester Zeit wurden ein großer Bagger und ein Radlader organisiert, die wenig später anrückten, unsere Kettensägenexperten zückten die Kettensägen und dann herrschte betriebsamer Lärm in der kleinen Straße. Lieblingsbegriff unseres Trupps: „KETTE!“, der laut rufend von Person zu Person weiter getragen wurde. In dieser Kettenkonstellation und mit Unterstützung des schweren Geräts wurde bis in den frühen Nachmittag hinein die völlig zerstörte und unbetretbare Terrasse des Hauses weg gerissen, Trümmer beseitigt, umgefallen Bäume zersägt, Treibgut und bis zur Unkenntlichkeit zerstörte Möbel und unfassbare Mengen Geäst fort geräumt und mit einem Trecker mit großem Anhänger direkt abtransportiert, während immer wieder auch Mitarbeiter mit dem Herrn in Kontakt traten, der zunehmend auftaute und mit Tränen in den Augen in seiner stillen, zurückhaltenden Art seine Erleichterung ausdrückte.

Über die Bundeswehr und die Anwohner organisierten wir einen umfassenden Trinkwasservorrat, Konservennahrung für mindestens 14 Tage und einen Eimer voller Obst. Außerdem Gaskocher und -Kartuschen aus einer unserer Einrichtungen und Kochgeschirr, denn die Küche war nun nichts mehr als ein leerer Raum und nur die schlammigen Wasserränder bis unter die Decke zeugten von dem Drama, das sich hier abgespielt haben mag. Parallel dazu vermittelte ihm die Initiative, mit der wir vor Ort zusammen arbeiten, im Hintergrund eine Patenschaft, eine konkrete, ehrenamtliche Person, die sich um ihn kümmert und nun nach den Aufräumarbeiten das Möbelproblem löst. Eine Mitarbeiterin erzählte bewegt ihrem Vater am Telefon von dem erschreckenden Einzelschicksal und dieser tolle Mensch sicherte spontan seine Unterstützung mit einer Spende im Wert von 500,- Euro an den Herrn zu. Sofort wurde eine Bank gesucht und zwei Orte weiter ausfindig gemacht und dem Herrn das Geld inklusive einem Kasten Flensburger Pilsener übergeben. Als wir uns nachmittags wieder auf den Weg zu unserem Basislager machten, wurden wir winkend von den Nachbarn und Helfern verabschiedet: „Und wann immer ihr in der Nähe seid, kommt vorbei!“.

Und so geht ein weiterer Einsatztag vorüber und damit auch unser Einsatz in der Krisenregion. Sehr erschöpft und tief bewegt und mit unzähligen neuen und überwältigenden Eindrücken im Herzen befinden wir uns nun wieder auf der endlosen Autobahn, Transporter, Crafter und Anhänger bis auf die letzte Sachspende leer und mit dem guten Gefühl, dass sich diese drei Tage in vielerlei Hinsicht sehr gelohnt haben.

Aus Respekt vor der emotional sehr angespannten Situation der Leidtragenden haben wir keine Bilder der unmittelbaren Aufräumarbeiten in den betroffenen Orten für die Veröffentlichung gemacht, das Bild zeigt Teile unseres Basislagers. Wir hoffen auf euer Verständnis.